Mit der nun heutigen Abschlussstory – der Gewinnerstory – verabschieden wir den Schreibwettbewerb im Monat April. Herzlichen Glückwunsch, Anna Blu. Vielen Dank für Deine Teilnahme. Du darfst Dich über einen Platz in der Anthologie zusammen mit unseren Autorenpatin Kimmy Reed freuen.
Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen,
Euer Lounge Team.
The Vernissage
Liebste Elisa,
ich wusste vom ersten Moment, dass wir füreinander bestimmt sind. Du verzehrst dich nach meine Liebe. Seelenverwandtschaft, Bestimmung, Schicksal. Nenn es wie du willst, aber wir gehören zusammen. Wie Ying und Yang, die nur miteinander existieren können. Ich freue mich dich bald in meine Arme schließen zu können. Deinen lieblichen Duft, der an einen warmen Sommertag erinnert zu reichen, in deine strahlenden blauen Augen zu sehen und deine weichen Haare auf meiner Haut spüren zu können. Niemand wird sich jemals zwischen uns stellen. Keiner nimmt dich mir weg, denn du gehörst allein mir!
XXX
Elisa
„Das ist nicht dein Ernst Mama!“ frage ich ungläubig.
„Oh doch mein Schatz.“ erwidert sie in einem Ton der keinerlei Widerspruch duldet. „Zuerst überredest du mich zu dieser Ausstellung, ignorierst dabei völlig das mich seit geraumer Zeit ein Psychopath terrorisiert, mir damit eine scheiß Angst macht und zum krönenden Abschluss darf ich noch ein beknacktes Abendkleid tragen?“ blaffe ich und versuche verzweifelt die Tränen zurückzuhalten.
„Du übertreibst, die Leute verehren dich. An deiner Stelle solltest du dankbar sein und dich über diese Präsente freuen.“
Ich soll mich über vollejakulierte Bilder, die er von mir aus nächster Nähe gemacht hat freuen?
Diese Frau hat sie doch nicht mehr alle!
„Außerdem gehören zu diesem Traum aus dunkelblauer Seide passende Ohrringe und nicht diese Dinger da, die dein Ohr verunstalten.“ reißt sie mich mit ihrer schrillen Stimme aus den quälenden Gedanken. Soll ich ihr nochmal erklären, dass das Tunnels sind und deswegen Ohrstecker gar nicht möglich sind? Seufzend gestehe ich mir ein, dass es wohl keinen Sinn macht weiter mit ihr zu diskutieren, denn letztendlich bekommt sie ihren Willen.
Das meine Fotografien den Leuten gefallen, sie von fremden Orten träumen lassen, sich daran erfreuen oder sie sie lediglich kaufen um ihre Wohnung zu verschönern ist ein toller Bonus.
Aber das ich einfach nur fotografieren will, weil es mir Spaß macht interessiert mein Mutter nicht.
Hat es sie nicht und wird es auch nie.
Hauptsache die Kohle stimmt – als ob das alles wäre.
Die Verpflichtung an den Ruhm, den ich eigentlich nicht will birgt auch Gefahren die ich mir nicht im entferntesten antun möchte. Denn jeder kennt dich, jeder will dein Freund sein, jeder möchte etwas von dir. Sei es Geld, Freundschaft, Aufmerksamkeit oder etwas perfides Anderes.
„Habe ich überhaupt eine Chance aus diesem Hotelzimmer zu kommen, wenn ich nicht diese Schickimicki-zeugs trage?“ will ich resigniert wissen während ich mich im Bad in das figurbetonte Kleid zwänge. Vom Nebenzimmer kommt nur ein genervtes stöhnen.
Im Bad zwänge ich mich in den Fetzen als mein Telefon anfängt „I will be heard“ zu plärren.
„Elisa hier, wer stört?“
„Hi Baby, trägst du die Spitzenunterwäsche für mich?“ haucht eine mir fremde Stimme. „Wer … wer ist da?“ wispere ich verängstigt.
„Hier ist dein Mann, du Dummerchen.“ kichert der Anrufer.
„Lass mich endlich in Ruhe, du Wichser!“ schreie ich und schmeiße mein Smartphone gegen die Wand.
„Wann hört das endlich auf?“ flüstere ich mit tränenerstickter Stimme während ich mein kreidebleiches Gesicht und meine zitternden Lippen im Spiegel mustere.
Der Chauffeur, was für ein Witz als ob es ein einfaches Taxi nicht getan hätte, öffnet die Tür und hilft uns auszusteigen. Selten das ich auf der anderen Seite stehe, geht es mir durch den Kopf als ich den Blick durch die Meute von Fotografen und Reportern schweifen lasse.
„Elisa, wie fühlt man sich wenn man zu den ganz Großen gehört?
„Wie ist es als Newcomerin in der Szene?“
„Was macht dich besser als andere?“
„Reiß dich zusammen und lächle.“ zischt meine Mutter und ich zwinge meine Mundwinkel nach oben.
Die Fragen prasseln weiter auf mich ein, aber meine Mutter ganz der Profi, beantwortet brav jede Frage nach der anderen.
Diese Moment nutze ich um ins Gebäude zu flüchten.
Den bösen Blick meiner Mutter kann ich im Nacken spüren.
„Champagner?“ fragt mich eine Kellner.
„Danke, den kann ich gebrauchen.“ lächle ich während ich das erste Glas auf ex trinke und mir gleich noch ein zweites gönne.
Mit einem wissenden Lächeln zieht er weiter durch die Menschenmenge.
Grübelnd blicke ich ihm hinterher, seine Augen wirken vertraut, aber bei den Massen von Leuten die ich in letzter Zeit getroffen habe, täusche ich mich bestimmt.
Dann mal los ins Getümmel.
Langsam schleiche ich an der Wand entlang, in der Hoffnung das mich niemand ansprechen wird.
„Elisa?“ fragt eine dunkle Stimme hinter mir, bei der es mir die Nackenhaare aufstellt. Okay ganz ruhig. Die Leute sind wegen dir hier.
„Ja?“ antworte ich, während ich mich langsam umdrehe.
Vor mir steht ein junger Mann im dunklen Anzug.
„Ich bin Jonas. Es freut mich dich endlich persönlich kennen zu lernen.“
Irgendetwas an seinem Lächeln stört mich, es wirkt zu aufgesetzt, als ob er etwas verbergen würde. Aber es wäre unhöflich ihn nicht zu begrüßen, weswegen ich ihm die Hand reiche.
Mein Herz setzt einen Takt aus, nur um mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu rasen. Ich werde starr vor Angst, kann diesen Jonas nur anstarren.
„Geht es dir gut?“ dabei legt er seine Hand sanft auf meinem Arm. Es ist eine zarte Geste, aber ich bin gerade dabei völlig durchzudrehen. Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, mir wird übel, mein Sichtfeld verschwimmt und ich stehe kurz vor einer Panikattacke.
Er ist es!
Das ist der Typ.
Lauf, schreit mein Bauchgefühl. Blinzelnd versuche meinen Blick scharf zu stellen.
„Ähm ja alles gut, danke. Naja ich muss dann mal, du weißt schon … Gäste begrüßen und …“ da unterbricht er mich.
„Aber ich bin ebenfalls wegen dir und deinen Bilder hier.“
Fieberhaft suche ich nach einem Ausweg.
„Ich muss wirklich los.“ beteuere ich und will loslaufen, als er einen Schritt zur Seite geht um mich daran zu hindern.
„Eine Frage.“ sagt er.
„Was?“
„Erzähl mir etwas von dir, dass niemand weiß. Dann lasse ich dich gehen.“ zwinkert Jonas.
Am liebsten würde ich ihn fragen, was bei ihm nicht ganz richtig läuft. Als ob ich einer unbekannten Person etwas über mich erzähle und dann soll es auch noch etwas sein das niemand weiß?
„Elisa, da bist du ja. Entschuldigen sie bitte junger Mann, aber meine Tochter muss jetzt …“
Ohne sie aussprechen zu lassen, packe ich ihren Arm und zerre Mutter hektisch und ohne ein weiters Wort zu verlieren, weg.
„Wir sehen uns.“ ruft er noch.
„Das ist der Psycho, Mama. Wir müssen die Polizei rufen.“ sage ich ängstlich und wage einen Blick über meine Schulter.
Als ich Jonas‘ übertriebenes Grinsen sehe, schaudert es mich.
„Papperlapapp. Er wollte dich lediglich kennenlernen.“ schnaubt sie und führt mich auf die kleine Erhöhung, die als Bühne fungiert.
Vielleicht hat sie recht und ich bilde mir das wirklich alles nur ein?
Sehe die Ding zu eng?
Nein, dieser Typ ist psychisch gestört. Welche normale Mann schickt einem schon vollgewichste Bilder?
Mit einem tiefen Atemzug und einem aufgesetzten Lächeln, dass mir gerade schwerer denn je fällt, beginne ich meine einstudierte Rede.
Jonas
Muss ihr Schlampe von Mutter uns jetzt unterbrechen? Mühsam lächle ich, als meine Schöne mit diesem Eisklotz abzieht. Zwar bin ich ein wenig sauer, dass sie keines meiner Geschenke trägt, aber daran ist bestimmt ihre Rabenmutter schuld. Oft genug habe ich Elisa und zwangsweise auch ihre Mutter durch die Mini-Kamera beobachtet. Was man für Geld nicht alles kaufen kann.
Die schlichte Halskette mit dem Herzanhänger hätte perfekt zu ihrem Abendkleid gepasst. Aber bei diesem Lächeln, dass sie den Leuten während der Rede zuwirft kann ich ihr nicht lange böse sein und später hat sie ja noch genug Zeit um es wieder gut zu machen. „Und du wist dich sehr gut um mich kümmern, mein Engel.“ verspreche ich und muss bei diesem Gedanken meine Hose zurechtrücken.
Elisa
Als ich endlich diese schreckliche Rezitation hinter mir habe, mich mit einigen Leuten über meine Bilder unterhalten und falsch gelächelt habe, schleiche ich mich davon.
Endlich an der frischen Luft, kann ich das Erste Mal wieder frei atmen.
Die alten, baufälligen und maroden Gebäude um mich herum wirken wie aus einer anderen Welt und ich bereue sofort meine Kamera nicht mitgenommen zu haben.
„Fuck.“ Aber wegen eines Bildes das Handy meiner Mutter holen, mit dem ich die Szene sowieso niemals so einfangen könnte wie mit meiner Haselblad X1D – Nope!
„Schön hier oder?“
Das kann doch nur ein billiger Scherz sein.
„Jonas! Was machst du denn hier draußen?“ will ich mit zittriger Stimme wissen und weiche einen Schritt nach hinten.
„Jetzt haben wir endlich Zeit für uns alleine. Vorhin wurden wir ja leider unterbrochen.“ presst er den Schluss heraus.
Scheiße der Typ spinnt.
„Es wird langsam kalt, ich sollte wieder reingehen.“
Kaum habe ich meinen Satz zu Ende gesprochen, steht er auch schon dicht vor mir und legt mir sein Jacket um.
„Besser?“
Du riechst sehr gut Elisa.“ dabei nimmt er eine Strähne meines langen blonden Haares zwischen seine Finger.
Ich spüre wie mir die Galle hochsteigt.
Ruhig ein-und ausatmen. Jetzt bloß nicht in Ohnmacht fallen.
„Dein Puls rast.“ dann streicht er mit seinem Finger seitlich an meinem Hals entlang. Tagtäglich hört man in den Nachrichten, dass wieder eine Frau überfallen wurde. Doch man denkt immer „Mir passiert so etwas nicht oder warum haben sie sich nicht gewehrt?“ Das ist doch das normalste auf der Welt sich in Gefahrensituationen zu verteidigen.
Aber jetzt weiß ich es besser. Die Angst lähmt einen.
Ich bin unfähig mich ihm zu entziehen, ihn wegzustoßen oder wenigstens nach Hilfe zu rufen.
Die morgige Schlagzeile wird lauten. „Newcomer Fotografin Elisa Maier nach ihrer Ausstellung verschwunden.“
Ein irres Lächeln bahnt sich meine Kehle hinauf, aber bei Jonas‘ nächsten Satz bleibt es mir im Halse stecken.
„Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, dass du keines meiner Geschenke trägst Schatz.“ Er ist es wirklich. Sein letzter Liebesbrief, in den er schrieb das wir zusammengehören, das wir seelenverwandt sind und ich seine Kinder unter meinem Herzen tragen werde, kommt mir in den Sinn. Ich bin verdammte 22 Jahre alt und will jetzt keine Kinder, vor allem nicht mit so einem Psychopaten. Hektisch blicke ich mich nach einer Waffe um, aber sehe nichts das mir helfen könnte.
„Jonas.“
„Ich liebe es wie du meinen Namen sagst. Ich wollte es ehrlich langsam angehen lassen, aber ich kann dir nicht widerstehen.“ flüstert er und presst seine Lippen auf die meinen. Mit aufgerissenen Augen stehe ich da und weiß nicht was ich tun soll. Als würde ich uns von außen betrachten, mich anschreien dass ich endlich was tun soll.
Als Jonas mir dann seine Zunge in den Mund schieben will erwache ich endlich aus meiner Starre und beginne mich zu wehren.
„Jonas, hör auf!“
Ich will ihn von mir drücken, aber er hat mich so fest umklammert, dass ich lediglich etwas in seinen Armen zappeln kann.
Die Tränen laufen mir über die Wangen und ich weiß wie das hier enden wird. Was habe ich dir getan, Gott? Warum bestrafst du mich mit dem Schlimmsten was man einer Frau antun kann?
„Hör auf!“ versuche ich es noch mit dem letzten bisschen Kampfgeist, bevor er vollkommen erlischt und sich dem unvermeidlichen fügt.
„Lass mich los.“ versuche ich zu schreien als er plötzlich weg ist.
Wie in Zeitlupe nehme ich wahr wie jemand dieses Monster zu Boden reißt und immer wieder auf ihn einschlägt, bis er nur noch vor Schmerz stöhnt. Wie in einem Déjà-vu betrachte ich die Szene von außen ohne etwas tun zu können.
„So du Penner jetzt hörst du mir genau zu, denn ich werde mich nicht wiederholen! Lass Lisa in Ruhe. Wenn ich dich noch einmal in ihrer Nähe sehe, du versuchst sie zu kontaktieren oder ihr Geschenke machst, dann bringe ich dich um. Hast du mich verstanden?“ Aber Jonas stöhnt lediglich. „Ob du mich verstanden hast, will ich wissen!“ knurrt er. Nur einer hat mich Lisa genannt und danach wollte ich es nie wieder hören. Oh Gott, das hier kann nur ein schlechter Traum sein, bestimmt wache ich gleich auf und lache mich über meine blühende Fantasie schlapp.
„Luke?“ frage ich unsicher als Jonas unter ihn ein „Ja.“ ächzt, woraufhin Luke von ablässt.
„Wir müssen die Polizei rufen.“ Völlig überfordert mit der Situation laufe ich auf und ab. Raufe mir die Haare und versuche das ganze Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Was macht Lukas hier? Mein Ex, der mich von heute auf morgen verlassen und ohne ein Wort zurückgelassen hat. Der Stalker blutend, mit vermutlich gebrochener Nase und noch mehr liegt auf den Boden.
„Wir reden wenn das Hier erledigt ist.“ gibt Lukas bestimmend von sich.
Als die Polizei Jonas Handschellen anlegt und ihn abführt, legt sich eine Hand auf meine Schulter. „Es tut mir so leid, dass ich dir nicht geglaubt habe Liebes.“ sagt meine Mutter mit einer Sanftheit in der Stimme, wie ich sie nie zuvor gehört habe. Ich drehe mich um und schlinge meine Arme um sie. Ich brauche jemanden der für mich da ist und mich zusammenhält bevor ich tausende Teile zerspringe.
„Ich … er wollte mich …“ schluchze ich.
„Shhh, ganz ruhig. Sie haben ihn festgenommen. Dir kann nichts passieren.“ beteuert sie überzeugend.
„Was macht Lukas hier?“ schniefe ich vollkommen verwirrt.
„Ich habe ihn eingeladen.“
„Du hast was?“ will ich schockiert wissen.
„Lass uns zurück ins Hotel fahren, dann erkläre ich dir alles.“ Erschöpft und froh nicht weiter denken zu müssen, lasse ich mich von ihr zur wartenden Limousine ziehen. Der Motor startet brummend und ich lehne meinen Kopf erschöpft an die Fensterscheibe. Durch meinen Atem beschlägt das Glas und da sehe ich ihn. Lukas. Unsere Blicke kreuzen sich und ich kann auch bei ihm unbeantwortete Fragen sehen.
Wie gefangen sehe ich nicht weg, beobachte wie er immer kleiner wird bis Lukas schließlich gar nicht mehr zu sehen ist.
„Eure Geschichte ist noch nicht zu Ende.“ flüstert meine Mama und streichelt sanft meine Hand.
Ende